
Es ist Zeit nach Hause zu gehen…
Als ich vorgestern Abend mit meinem kleinen Zwerg über Face-Time sprach, meinte ich irgendwann, dass es jetzt langsam an der Zeit wäre ins Bett zu gehen. Daraufhin fragte er mich, ob wir noch kuscheln könnten. Und ich antwortete, dass wir das ab Mittwoch wieder jeden Tag machen würden. Und er, dass er mich jetzt einfach mit dem Handy ins Bett nehmen würde und dann würden wir Handy an Handy, Gesicht an Gesicht kuscheln, was wir dann auch taten. Was soll ich sagen, mein Mama-Herz blutete und mir kamen die Tränen. So lag ich also neben meinem kleinen Zwerg, etwa 40 km voneinander getrennt und im Herzen doch so vereint. Und mir wurde eines nochmal sehr deutlich bewusst, es ist Zeit nach Hause zu gehen.
Ich hatte eine wunderbare, harte, schmerzhafte und sehr bereichernde Zeit hier. 70 Tage haben wir durchgehalten. Als Familie. Mein Mann, der neben dem 50-Stunden-Job noch die Kinder im Homeschooling betreute, kochte, putzte und mehr als einmal am Zahnfleisch ging. Der mich dennoch zu beiden Verlängerungen ermutigt hat und gesagt hat, das schaffen wir auch noch. Meine Kinder, die 2,5 Monate ohne ihre Mama auskommen mussten und es mit Bravour gemeistert haben. Und ich, die hier in vielen Tagen die Hölle auf Erden erlebte. Ich musste mich ganz neu aufstellen, meine Erlebnisse, die mich jahrzehntelang begleitet und geprägt hatten, hatten endlich einen Namen: Komplexe posttraumatische Belastungsstörung. Ich werde mein Leben lang diese Traumapatientin bleiben. Ich habe so vieles erlebt, Filme spielen sich noch heute vor meinen Augen ab und das obwohl ich damals so klein noch war.
Aber ich werde damit umgehen lernen und auch weiterhin meinen Weg gehen. Schritt für Schritt und voller Zuversicht. Denn es ist mein Leben und es ist an mir es zu einem glücklichen Leben zu machen. Ich weiß eines mit Sicherheit, ich habe dieses Glück verdient. Ich bin nicht an allem Schuld und ich bin nicht für alles verantwortlich. Ich bin vor allem nicht Schuld daran, dass ich überhaupt existiere oder auch nicht daran, was damals alles geschehen ist. Ich darf ich sein mit all den Fehlern, die ich weiß Gott habe. Ich liebe meine Familie mehr als alles andere auf dieser Welt und ich bin dankbar und gesegnet, dass ich meine drei Männer habe. Auch unendlich dankbar dafür, dass wir zu Hause unglaubliche Unterstützung erfahren durften. Dass unsere Kinder von Freunden und der Familie meines Mannes betreut wurden. Dass für sie auch mal mitgekocht und gewaschen wurde. Das ist alles andere als selbstverständlich und ich werde das für immer in meinem Herzen tragen.
Ich hatte eine wahrlich eindrucksvolle Zeit hier und ich habe wunderbare Therapeuten an der Seite gehabt und wundervolle Menschen kennengelernt. Mitpatienten, die zu Freunden wurden. Die mich und meine Situation eins zu eins nachfühlen können. Die immer da waren, auch in den dunkelsten Stunden. Die wissen, was es bedeutet, leer zu sein. Depressiv. Voller Zweifel. Am Ende. Ich würde sagen, es war die mit härteste Zeit meines Lebens. Ich werde ambulant weiterhin zur Therapie gehen. An dieser Stelle ist ein Therapeut mit Traumaerfahrung essentiell. Und ich bete, dass ich jemand Geeigneten finde. Der Weg ist lang und es wird nicht einfach. Aber es wird sich lohnen. Und nun ist es an der Zeit nach Hause zu gehen und mit meinen Jungs zu kuscheln.
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