Gedanken aus dem Ahrtal

Nachfolgend findet ihr einen Erfahrungsbericht von Jessica, die im Ahrtal lebt und die Hochwasserkatastrophe bis zum heutigen Tag ständig vor Augen hat...

 

 

Herzlich willkommen in meinen Gedanken. Vor ein paar Tagen waren meine Gedanken trübe und trist, mittlerweile sind die Gedanken hoffnungsvoll und zukunftsweisend. In der Nacht vom 14./15.07.2021 hat eine brachiale Gewalt Menschenleben ausgelöscht, Seelen zerstört und sehr viel Heimat kaputt gemacht. Die Flutkatastrophe 2021 hat uns an den Rand der Verzweiflung gebracht. Am Anfang. Heute, 10 Wochen später, haben wir einen Plan in der Tasche. Wahrscheinlich ist der Plan noch nicht komplett ausgereift, aber der Anfang ist gemacht. Wir wissen alle, wir geben nicht auf und wir beugen uns nicht. Wir holen uns unsere Heimat wieder! Aber mal von ganz vorne: Ich bin 38 Jahre alt, ich bin im Ahrtal groß geworden, ich bin dort zum Kindergarten gegangen, zur Schule gegangen, dort habe ich meine Ausbildung abgeschlossen und hier im Ahrtal bin ich eben Zuhause. Man kennt sich. Ahr rauf, Ahr runter, egal wo man ist, man kommt nicht um ein nettes Gespräch drumherum. Man kennt sich hier. Irgendwie ist dieses Tal ein kleines großes Dorf. Es ist das Tal der roten Trauben. Das Ahrtal. Jede Jahreszeit hat seine eigene wunderschöne Facette gehabt. Die schönste Jahreszeit war der goldene Herbst. Wenn man über die Weinberge geschaut hat und alles in roten, braunen und orangen Farben gestrahlt hat. Wenn die Sonne die Hügel geküsst hat und die Wandersleute diese unglaubliche Gegend mit einem Gläschen Spätburgunder erkundet haben. Und dann plötzlich war alles anders. Von einem auf den anderen Moment ist nichts mehr wie es war. Es ist unheimlich, es ist traurig, Menschen sind wütend und alles sieht so anders aus. Einsatzkräfte die übermenschliches geben, Familien die auf ihren Dächern ausharren und Menschen die starr vor Angst waren. Die kleine unscheinbare Ahr wurde zu einer zerstörerischen Flut. Mehrere Meter hoch und etliche Meter breit. Heute noch unvorstellbar. Ob man das jemals verstehen wird oder begreifen wird, was hier passiert ist? Man sieht es zwar jeden Tag, aber verstehen und begreifen kann man es nicht. Denn es ist sehr surreal! Plötzlich kam die nächste Flut. Die Flut der Helfer-Helden. Auf einmal waren da diese anderen Menschen. Menschen die in den Nachrichten von dieser brachialen Gewalt gehört haben und sich auf den Weg ins Katastrophengebiet gemacht haben. Diese Menschen, die bis zur Erschöpfung und völlig selbstlos an unserer Seite gestanden haben. Schlamm wurde geschippt, Möbel wurden aus dem Haus geworfen, Putz und Estrich wurden weggestemmt und es wurden Tränen getrocknet. Das ist Nächstenliebe! Ja doch, genau so fühlt sich Nächstenliebe und SolidAHRität an. Es ist ein schönes Gefühl. Wir hoffen sehr, dass dieses tolle Gefühl noch lange anhält, denn es gibt noch einiges zu tun. Der Rückbau ist noch lange nicht abgeschlossen, trotzdem darf man den Aufbau nicht aus dem Auge verlieren. Die Wohnhäuser oder andere Gebäude schreiten im Rückbau mit Meilenstiefeln voran, aber die Auen sehen teilweise noch fürchterlich aus. Auch da muss Hand angelegt werden, aber teilweise braucht es da erst noch schweres Gerät. Es gibt Stellen, die zwar schon erkundet wurden, aber leider das Gerät noch fehlt. An der ein oder anderen Stelle bereitet der kommende Winter den Betroffenen schon Sorgen. Die kalten Tage kommen auf uns zu gerannt und es fehlt an Wärme. Es gibt sicherlich ganz viele Menschen die schnellstmöglich wieder zurückwollen, aber das ist jetzt noch nicht möglich. Die Häuser sind teilweise in den Rohzustand zurückgesetzt worden, damit die Häuser eben irgendwann mal wieder bewohnbar sein können. Jetzt ist Geduld gefragt. Liebe Menschen da draußen, wenn ich einen Wunsch frei habe, dann denn: Vergesst uns bitte nicht! Jeder Betroffene dieser verheerenden Katastrophe braucht einen Lichtblick. Wir brauchen weiterhin eure Muskelkraft und euer Engagement. Bitte! Das Helfer Shuttle oder die Dachzeltnomaden sind sehr sehr aktiv und bringen viel Manpower ins Tal. Sachspenden werden keine mehr benötigt. Zumindest die kleinen Dinge nicht mehr. Gespendete Autos werden bei 4Drive repariert und überholt und anschließend an Betroffene weitergeleitet.

 

Den Plan, den wir in der Tasche haben, den werden wir mit aller Kraft verfolgen. Wir geben unsere Heimat nicht einfach so her. Nicht mit uns! Nicht unser schönes Ahrtal. Das Tal der roten Trauben. Zusammen sind wir #stAHRk #aufgebenistkeineoption #kreisahrweiler #dankbAHRkeit #weAHRfamily #ahrtal #dernau #solidAHRität #eimerkette #flutkatastrophe2021 #helfershuttle #jahrhunderthochwasser2021 #helfersindhelden #zusammensindwirstark #solidarität #hochwasser #freundegefunden #ichwardabei #hoffnung #feuerwehr #wasser #thw #landwirtschaft #polizei #bundeswehr #Freunde #trauma

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Kommentare: 1
  • #1

    Tanja (Montag, 11 Oktober 2021 12:32)

    Alles erdenklich Gute für euch alle in den betroffenen Gebieten.