
Ich schreibe diesen Text am Samstagmorgen, 4 Uhr. Seit drei Stunden liege ich wach und versuche alle möglichen Techniken auszuprobieren, um wieder einschlafen zu können. Ohne Erfolg. Die überwältigende Schlaflosigkeit raubt mir die letzte Kraft und macht mich vollkommen fertig. Das Ganze übrigens trotz unterstützender Medikamente. Das Tief ist tief und immer wieder mal stelle ich mir die Frage des Sinns. Des Sinns dieses Aufenthalts, wenn - für mich gefühlt - so wenig voran geht. Ich habe immer noch viel zu viele Tage, an denen ich leer bin, leer und antriebslos. Ich vermisse meine Männer, sehr. Und habe immer wieder den Gedanken, ob ich ihnen mit meiner Abwesenheit nicht zu viel zumute. Andererseits war ich zu Hause in den Wochen vor der Einweisung letztendlich auch abwesend.
Gestern sagte mir meine wunderbare Therapeutin, dass sie den Impuls hat mir genau zwei Worte aufzuschreiben und vor mich hinzulegen. Diese waren Ungeduld und Widerstand. Mit ersterem konnte ich sofort etwas anfangen. Ich habe das Gefühl auf der Stelle zu treten, oft auch eher mehr Schritte zurückzugehen als vorwärts. Wie kann es sein, dass ich mich auch nach mehr als fünf Wochen nicht ersichtlich besser fühle? Während meine Psychologin mir sagt, dass man ein Trauma nicht in fünf Wochen verarbeitet. Dass meine Seele viel zu viel mitgemacht hat. Dass sich die Depression über Jahre eingeschlichen hat wie ein kleiner hinterhältiger Dieb. Und mir geht es mal wieder nicht schnell genug. So viel zu Ungeduld.
Das zweite Wort Widerstand hingegen konnte ich mir nicht erschließen. Sie erklärte mir dann, dass sie das Gefühl hat eines Widerstands meinerseits gegen das Entschleunigen. Zunächst riss ich die Augen auf und schüttelte vehement den Kopf. Das stimmte mal so was von gar nicht und das äußerte ich auch. So immens wie ich hier entschleunige, habe ich mich wahrscheinlich mein ganzes Leben lang nicht entschleunigt. Ich zeichne viel, lese und liege platt im Bett. Die Arbeit an mir erschöpft mich sehr, womit ich so nicht gerechnet hatte. Aber womit hatte ich gerechnet? Dass ich hier ankomme, sechs Wochen lang Techniken an die Hand bekomme, um dann wieder fit und fröhlich mich meinem Hamsterrad Alltag zu Hause stellen zu können. So klug hätte ich sein müssen, dass das nicht funktionieren würde. Je länger ich seit gestern über diesen Widerstand nachdenke, umso mehr macht es etwas im Inneren mit mir. Wahrscheinlich stehe ich noch immer unter beträchtlichem Strom. Kümmere mich auch hier wieder um Abschiedsgeschenke für Mitpatienten, habe meinen eigenen Therapeutenstuhl im Zimmer, der rege benutzt wird, weil ich eben gut zuhöre. Und ein Stück weit bin das ja auch ich. Dasein für andere, zuhören, Menschen das Gefühl geben wertvoll zu sein. Das will ich auch nicht ablegen. Dann wäre ich nicht mehr ich. Aber vielleicht sollte ich mir erlauben, endlich einzusehen, dass auch ich wertvoll bin und das nur für die, die ich eben bin ohne, dass ich irgendwas etwas leisten muss. Ich wünschte, es wäre so einfach. Ich wünschte, dass es diesen Kippschalter gäbe und ich wäre wieder hergestellt. Ich vermisse mich selbst so sehr.
Ich danke euch fürs virtuelle Zuhören. Es tut immer gut hier meine Erfahrungen mit euch zu teilen. Ich kenne kaum eine Community, die so hinter einem Blogger steht, wie meine. Ich weiß, dass das bei weitem nicht selbstverständlich ist. Dafür DANKE von Herzen. Und wenn ihr Zeit habt, denkt an mich. <3
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