
Ich halte mich an die Regeln, gehe nur noch selten einkaufen und wenn dann auch nur für die ganze Woche und in kleinen Geschäften. Mir ist der Trubel zuviel geworden. Selbst mit der besten Freundin schreibe ich nur oder chatte.
Vor ein paar Tagen telefonierte ich mal wieder mit einer lieben Freundin. Selten sind diese Momente geworden. Zwischen all den Aufgaben, die ich tagtäglich zu meistern versuche. Meine Freundin ist Krankenschwester. Und erzählt von ihren Erfahrungen im Notdienst. Sie ist sehr klar in ihren Worten und spricht darüber, wie notwendig diese Maßnahmen sind. Sie versteht aber auch den großen Wunsch von uns allen nach Kontakt. Sie freut sich über kleine Gesten der Menschlichkeit wie Blumen oder Karten, Worte der Dankbarkeit. Ich erkenne: Wie wenig haben solche Dinge bisher Platz gefunden, bis der Virus uns dazu die Chance gab.
Während ich am Abend durch Facebook scrolle, tobt eine erboste Welle der Worte. Man sucht Schuldige und kann sie
doch kaum finden. War es der Politiker, der zu spät handelte oder doch der andere, der es zu früh tat. Von Freiheit brauchen wir gar nicht mehr zu reden. Existenzen sind bedroht oder gar schon
zerstört. Ich fühle, wie dünnhäutig die Menschen geworden sind und wie angespannt. Und ich zähle mich mit dazu. Einem Virus die Schuld zu geben, das klappt nicht. Genauso wenig wie es
funktionieren wird, dass wir absolute Sicherheit bekommen werden. Wir versuchen zu schützen, am meisten unsere Kinder. Fragen uns, wie hoch ist die Gefahr, wenn die Ansteckungsrate vermeintlich
so niedrig ist. Wir wollen uns nicht mit dieser trügerischen Krankheit auseinandersetzen. Oder gar mit dem Tod. Passt nicht zu unserem bisherigen - doch so unbeschwerten - Leben.
Wie kann es sein, dass wir in unserer Freiheit so eingeschränkt werden, sagen die einen. Wie kann es sein, dass es keine klaren Vorgaben gibt, sagen die anderen. Wir sind unsicher.
Und können kaum erahnen, wie es anderen ergeht, geschweige denn uns selbst.
Vielleicht ist es aber auch eine Chance. Wieder mehr zu fühlen. Auf andere zu achten. Empathisch zu sein. Kleine Gesten der Menschlichkeit zu zeigen. Was wünsche ich mir? Und was wünschen sich
die anderen? Ich muss lernen, auch die Wünsche und Bedürfnisse der anderen gelten lassen. Selbst, wenn sie sich mit meinen nicht decken.
Und während ich mich durch Facebook wühle, erhalte ich eine Nachricht von einer anderen wundervollen Freundin. Sie schreibt mir, wie sehr sie mich schätzt und dass all die Freude für uns alle wieder zurückkommen wird. Mir kommen die Tränen und sie ahnt nicht, welch großes Geschenk sie mir damit gemacht hat.
Es wird wieder gut werden.
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