Brief an meine Kinder in Corona-Zeiten

Meine lieben Jungs,

gerade haben wir wirklich ein Talent uns auf die Nerven zu gehen. Es ist eine kräftezehrende Zeit, eine Zeit voller Ungewissheit, Sorge und Angst. Wir können uns tatsächlich so richtig verrückt machen und schon so manches Mal musste ich tief Luft holen und irgendwelche Atemübungen durchführen, die ich im Fernsehen gesehen hatte, um nicht gegen die Wand zu laufen. Manchmal habe ich wahrlich das Gefühl, ich werde verrückt. Mit euch, dank euch und für euch. ;-) Und wisst ihr, was mindestens genauso wahr ist: Ich liebe euch wie verrückt. Und irgendwie glaube ich, dass wir diese Zeit sogar ein wenig vermissen werden. Dann, wenn alles wieder seinen Lauf nimmt, wir unseren Alltag wieder haben. Wenn ich täglich wieder im Büro bin und nicht beim Telefonieren mit dem Diensthandy zeitgleich den Schiedsrichter beim Fußballspielen im Wohnzimmer spielen muss oder bei geschäftlichen Mails aus Versehen eure Namen mit einfüge, weil ich euch nebenbei etwas erkläre. Wenn ihr wieder in die Schule gehen und eure Freunde treffen dürft, wir wieder viele Termine wahrnehmen müssen, aber auch dürfen. Wenn eure Lehrer euch den Lernstoff beibringen und ihr hoffentlich nicht so genervt seid wie von mir manchesmal.

Dann glaube ich trotz allem, dass ich diese intensive Zeit mit euch, die ich jetzt gerade habe, auch vermissen werde. Wir werden vermissen, dass wir uralte Spiele wieder aus dem Schrank holen, die verschiedensten Kuchen backen und lange Spaziergänge im Wald machen. Mir werden die langen Abende auf der Couch fehlen mit zu vielen Chips und Keksen und überall den Krümeln. Die vielen Bastelprojekte, die wir momentan umsetzen, das Holzschnitzen, die Tänze im Schlafanzug. Die vielen Geschichten, die wir zusammen lesen. Die Tage ohne irgendwelche Verpflichtungen, ohne irgendwo hin zu müssen. Wir werden vermissen, dass wir keinen Terminplan voller Arzttermine, Schulverpflichtungen, Aktivitäten und vielem mehr haben. Auch, wenn wir das gerade nicht für möglich halten.

Es ist einfach so, dass wir gerade zusammen sein müssen. Und wir dadurch wunderschöne Erinnerungen entstehen lassen.

 Ihr werdet so schnell groß. Ich kann euch beim Wachsen zusehen. Ich sehe, wie ihr eure Haare stylt, erste Freundinnen habt und eure Meinung lautstark vertretet. Die Tage mögen aktuell langsam vergehen, aber die Jahre fliegen nur so an einem vorbei. Das ist auch jetzt so, weil es einfach immer so ist. Also versuche ich genau diese Momente jetzt festzuhalten und dankbar zu sein. Für so viel Zeit, wie ich sie vielleicht lange nicht mehr haben werde. Dankbar zu sein für all das, was ich habe. Und zu erkennen, dass eben nichts selbstverständlich ist. Und all die Momente zu schätzen, die mir gerade geschenkt werden.

Wenn das Haus eines Tages leer ist, weiß ich, dass ich alles dafür geben würde, noch einmal zurückzugehen zu diesen Momenten, mit den vielen Krümeln auf der Couch, den Fingerabdrücken an den Fenstern und der Kleidung auf dem Wohnzimmerboden. Dahin zurück, wo ich euch ganz nah bei mir hatte. Diese vergangenen Wochen und die, die noch folgen werden, werden in die Geschichte eingehen, auch in unsere eigene. Lasst uns zusammenhalten in dieser schweren Zeit und gemeinsam durchhalten. Ich liebe euch. Eure Mama.