Interview mit einer Pflege-und Adoptivmama

 

Liebe Anni, ich verfolge dein Leben auf Instagram schon länger und bin immer fasziniert davon, was du alles wuppst.
Du bist Mama von zwei Pflegekindern und einem Adoptivsohn. Ist das richtig? Magst du uns ein bißchen von deiner Familie erzählen?

 


Liebe Denise, das ist richtig. Ich bin Mama von drei Kindern. Davon sind zwei Dauerpflegekinder und ein Adoptivkind mit Behinderung. Unsere Familie besteht aus meinem 2. Ehemann Julian, unserer fast 12 jährigen Pflegetochter (dem Löwenmädchen), unserem 8 jährigen Adoptivsohn (Oskar) und seit zwei Monaten unserem 10 Monate altem Pflegesohn (dem Boi) und mir. Das Löwenmädchen und Oskar habe ich mit meinem ersten Ehemann aufgenommen. Das Löwenmädchen lebt in diesem Sommer seit 11 Jahren bei uns, Oskar durften wir begrüßen, als er 2 Stunden alt war, es handelte sich um eine anonyme Adoption fast ohne Hintergrundinfos. Julian und ich leben seit 2013 zusammen und sind seit 2015 verheiratet.

 


Hast du schon immer von einer großen Familie geträumt?

 

Ich habe mir Kinder gewünscht seit ich denken kann und war schon als Kind eine begeisterte Puppenmutti.

 


Wie kam es dazu, dass ihr euren Sohn adoptiert habt?

 

Der Weg zur Adoption von Oskar war lang. Nach einer Fehlgeburt, einer Not - OP und der Endometriose Diagnose entschlossen mein damaliger Mann und ich einen anderen Weg einzuschlagen, um unseren Kinderwunsch zu verwirklichen. Wir machten einen Infotermin beim Jugendamt. Nach unserer Anerkennung als Adoptiveltern kam man auf uns zu und fragte uns, ob auch ein Pflegekind eine Option für uns wäre. Uns wurde gesagt, dass die Wartezeiten auf ein Adoptivkind etwa 7 Jahre betragen. Daher haben wir uns als Pflegeeltern qualifiziert und das Warten begann. 2008 durften wir dann unsere damals 1 jährige Pflegetochter, das Löwenmädchen bei uns aufnehmen. 2011 kam dann der Anruf, dass wir als Adoptiveltern ausgewählt wurden, zu dem Zeitpunkt haben
wir mittlerweile 8 Jahre auf ein Adoptivkind gewartet.
Euer Sohn hat eine Behinderung. Wie äußert sich das im Alltag und vor welche Herausforderungen stellt es euch?

 


Ja, das stimmt. Oskar hat eine bzw. mehrere Behinderungen/ Beeinträchtigungen. Unser Alltag ist auf Oskars Bedürfnisse abgestimmt. Das bedeutet, dass er auf seine Routine angewiesen ist um nicht die Orientierung zu verlieren. Er ist immer bei Allem (Medikamenteneinnahme, Pflege- und Windelversorgung, Nahrungsaufnahme,...) auf Hilfe angewiesen.

 


Wie kam es dazu, dass ihr eure Pflegekinder aufgenommen habt? Waren das spontane Entscheidungen oder lange überlegt?

 


Es waren wohlüberlegte Entscheidungen, wobei man sagen muss, dass die Meldung, dass ein Pflegekind da ist, sehr spontan kommt und man sich nicht wirklich darauf vorbereiten kann.

 


Falls du davon erzählen darfst und magst, aus welchen Situationen heraus sind eure Pflegekinder zu euch gekommen?

 


Unsere beiden Pflegekinder sind aus völlig verschiedenen Umständen und sehr schwierigen Lebenssituationen zu uns gekommen, mehr möchte ich dazu aber nicht sagen.

 


Welche Rechte und Pflichten sind mit einer Pflegschaft verbunden? Was dürft ihr allein entscheiden? Wo ist Rücksprache mit dem Jugendamt oder eventuell auch mit den leiblichen Eltern nötig?

 


Es kommt darauf an, ob das Sorgerecht bei den leiblichen Eltern oder beim Jugendamt ist. Beim Löwenmädchen ist es so, dass wir die Vormundschaft haben und sie auch unseren Namen trägt und somit alles entscheiden dürfen, was sie betrifft, seien es Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte, schulische Angelegenheiten, Auslandsaufenthalte, sowie Impfungen. Bei unserem kleinen Boi liegt das Sorgerecht bei der leiblichen Mutter, wir haben das Aufenthalts-bestimmungsrecht und dürfen über Arztbesuche bestimmen und alles was bei uns im Haushalt so passiert. Auslandsaufenthalte, Impfungen, welche Schule er besuchen soll oder ob er getauft oder konfirmiert werden soll müssen wir mit der leiblichen Mutter abstimmen.

 


Haben eure Pflegekinder Kontakt zu den leiblichen Eltern? Wie geht ihr als Pflegeeltern damit um?

 


Unser Löwenmädchen hat, auf eigenen Wunsch keinen Kontakt zu ihrer Herkunftsfamilie. Der kleine Boi sieht seine leibliche Mutter in regelmäßigen Abständen. Für uns sind die Besuchskontakte Normalität, sie gehören zu
unserem Leben dazu.

 


Habt ihr Kontakt zu anderen Pflegeeltern, um euch auszutauschen?

 


Ja, wir sind in einem Verein für Pflege- und Adoptiveltern. Da wir ja schon sowas wie alte Hasen sind, kennen wir mittlerweile viele Pflege- und Adoptiveltern auch privat sehr gut und tauschen uns regelmäßig aus.

 


Wie reagieren Außenstehende auf eure familiäre Konstellation?

 


Die Reaktionen sind völlig unterschiedlich. Es fängt an mit Bewunderung für das, was wir tun und endet mit kompletter Ablehnung. Ich glaube, wir haben im Laufe der Jahre jedes Vorurteil und jeden dämlichen Spruch gehört. Für uns zählen aber allein die Kinder, sie sollen ein tolles Leben haben und unbeschwert aufwachsen, deshalb sollte man sich auch ein dickes Fell zulegen.

 


Sind die Kinder in Kurzzeitpflege bei euch oder dauerhaft? Machst du dir Gedanken darüber, ob eines Tages ein Abschied bevorstehen könnte? Wie gehst du damit um?

 


Die Kinder leben dauerhaft bei uns. Das Löwenmädchen ist seit 11 Jahren bei uns, bei ihr ist eine Rückführung nicht mehr möglich. Im Falle des kleinen Boi ist es ebenfalls eine Dauerpflege. Es gibt immer ein Restrisiko bei Pflegekindern, allerdings ist im Leben ja nichts ohne Risiko.

 


Was stellt euch vor die größten Herausforderungen? Und was ist das Schönste am Pflegeeltern - Sein?

 


Die größte Herausforderung ist der Rucksack mit den „Altlasten“, den jedes Kind mitbringt. Keines unserer Kinder ist oder war ein „normales“ Kind. Es bedarf viel Geduld und Zeit das zerstörte Vertrauen und die Sicherheit wieder zu gewinnen und eine tragfähige Eltern - Kind - Bindung aufzubauen. Das Schönste am Pflegeeltern - Sein ist das Eltern - Sein und zu sehen, wie sich die Kinder entwickeln und selbstständiger werden.

 


Für den Fall, dass meine Leserinnen und Leser sich ebenfalls überlegen, eine Pflegschaft zu übernehmen: Wie wird man zu einer Pflegefamilie und an wen muss man sich diesbezüglich wenden?

 


Wenn man eine Pflegschaft eingehen möchte, macht man ganz unverbindlich einen Infotermin beim jeweiligen Jugendamt, führt erste Gespräche, wird geprüft, ob man infrage kommt und macht schließlich einen Pflegekinderkurs.
Und dann klingelt eventuell irgendwann das Telefon.

 


Ich bedanke mich von Herzen für die Beantwortung der Fragen. Nisla

 

Ich danke dir auch, dass du an mich gedacht hast und dass ich etwas zu dem Thema beitragen durfte. Liebe Grüße Anni

 

Wenn ihr mehr von der wunderbaren Anni lesen wollt, dann hüpft mal rüber zu ihrem Instagram-Account: Juls große Liebe.

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Franzi (Samstag, 26 Oktober 2019 14:10)

    Hey liebe Anni... Ich finde deinen Blog total toll und beeindruckend. Ich habe die gleiche Diagnose Endo und einen 10 jährigen Sohn der vor Diagnose entstanden ist nun haben wir uns dafür entschieden Pflegeeltern zu werden.... Warten derzeit auf den Anruf. Du machst mir Mut. DANKE

  • #2

    Katharina (Samstag, 22 August 2020 15:56)

    Vielen Dank für das Interview und meine tiefste Bewunderung an Anni. Es ist so schön zu wissen, dass das Leben mit einer solchen Diagnose nicht zu Ende sein muss, sondern stattdessen ganz viele neue Herausforderungen auf einen warten, an die man vorher vielleicht gar nicht gedacht hat.

    Liebe Grüße
    Luiza
    https://www.universodelas.com.br/