Der 3. Oktober – ein Tag, der so viel bedeutet. Ein Feiertag, den man wirklich feiern sollte.

Gestern war er da, der Tag der deutschen Einheit. Er jährte sich bereits zum 27.Mal. Doch was bedeutet er eigentlich, dieser Tag? Wie viel wissen wir heute noch darüber? Was sollte uns hängen bleiben, was macht ihn so besonders?  Diesen 3. Oktober.

 

Und warum ist er ein Feiertag? Ja, was sollten wir eigentlich feiern?

 

Ich selbst bin im Jahr 1985 geboren. Habe an „die“ Mauer und den Mauerfall keinerlei Erinnerungen. Alles, was ich weiß, ist das, was ich gelesen habe und das, was mir erzählt wurde. Am meisten erzählt von meiner geliebten Oma, die Anfang der 60er geflüchtet ist. Vom Osten in den Westen. Jedes Mal, wenn sie ihre Geschichte erzählt, bleibe ich an ihren Lippen hängen. Jedes Mal durchkommt mich ein Schaudern und jedes Mal denke ich mir, wie hätte ich mich gefühlt. Was muss das überhaupt für ein Gefühl gewesen sein zu flüchten, Angst zu haben ins Gefängnis zu kommen oder auch davor, dass etwas noch Schlimmeres passiert. Welche Sehnsüchte müssen die Menschen getrieben haben, dieses Risiko auf sich zu nehmen und zu flüchten.

 

Meine Oma, die so jung war, ihre vielen Geschwister, ihre Familie hinter sich ließ, um der Sehnsucht zu folgen, der Sehnsucht nach etwas Neuem, der Sehnsucht nach einer besseren Zukunft.

 

Ich mag euch ein wenig von ihrer Geschichte erzählen. Weil sie so spannend ist, so leidenschaftlich, so abenteuerlich:

 

Meine Oma plante schon längere Zeit zu flüchten und wollte dies auch mit einer ihr nahe stehenden Verwandten tun, die dann allerdings im letzten Moment gekniffen hat. Wer kann es ihr verdenken. Oma, schon immer eine starke und lebensbejahende Frau, zog es alleine durch. Sie flüchtete mit dem Zug nach West-Berlin. Einer ihrer Brüder lebte schon in der Bundesrepublik. Offiziell absolvierte sie also einen Verwandtschaftsbesuch. Und so legte sie sich auch ihre Geschichte zurecht, weil sie wusste, dass Fragen kommen würden. Fragen von Bediensteten der DDR. Oma saß also im Zug und wusste, es kann jederzeit passieren, dass sie befragt wird. Dass sie  herausgezogen wird, dass sie eingesperrt wird. Sie wusste, sie muss souverän reagieren, wenn ihr Fragen gestellt werden, sie darf keinerlei Angst zeigen, muss glaubhaft versichern können, dass sie „nur“ einen Verwandtschaftsbesuch macht. So kam es dann auch, dass die Beamten einen nach dem anderen im Zug befragten. Oma wurde immer nervöser, versuchte sich dies aber nicht anmerken zu lassen. Sie rätselte und tat so, als ob sie völlig vertieft sei in ihr Kreuzworträtsel, hörte sich aber jede einzelne der Fragen, die die Kontrolleure an Sitznachbarn stellten, an und legte sich in ihrem Kopf die Antworten zurecht. Der Mann, der ihr gegenüber saß, war sichtlich aufgeregt, schwitzte und stotterte bei den Antworten, die er gab. Sie haben ihn nicht weiter reisen lassen.

 

Dank der Fragen und der dazugehörigen Antworten, die Oma sich bereits zurecht gelegt hatte und dadurch, dass sie glaubhaft versichern konnte, sie würde einen Verwandtschaftsbesuch machen, durfte sie weiterreisen. Einfach nur, weil sie souverän reagierte. Einfach nur, weil sie das Glück hatte, all die Fragen schon vorher im Kopf durchgehen zu können.  

 

Sie lernte kurze Zeit später ihren Mann kennen und hat heute 5 Kinder, 11 Enkel und bereits 9 Urenkel. Einmal jährlich fährt sie in ihre alte Heimat. Besucht ihre Familie. Und das, was sie noch immer am meisten vermisst, ist das Meer. Wenn sie aus ihrer Kindheit erzählt, dass sie von früh bis spät in der Ostsee badeten, bei Wind und Wetter. Dass sie nichts hatten, außer dieses wunderbare, weite Meer, dann wird die Sehnsucht spürbar. Doch sie hat ein tolles Leben hier im Westen .

 

Noch heute bewundere ich sie für ihren Mut, ihre Stärke, für das, was sie ganz allein geleistet und bewerkstelligt hat. Dafür, dass sie sich getraut hat, ihre Träume zu leben.

 

Ich bin froh und dankbar, dass „die“ Mauer in Deutschland nicht mehr existiert. Dass Menschen nicht willkürlich getrennt werden oder einen hohen Preis zahlen müssen, dafür, dass sie Freiheit leben dürfen. Freiheit ist das höchste Gut überhaupt und wir sollten dies schätzen und leben. Auch in den Köpfen. Das sollten wir feiern! Zusammen. Wir. Alle.

 

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